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Zusammenfassung des Vortrags von Ernst Ulrich Weizäcker
Für den Fall, dass Sie lieber auf Papier lesen, gibt es diesen Text auch als Word Dokument zum Download in unserem Downloadbereich.

Zusammenfassung des Vortrags von Ernst Ulrich von Weizsäcker gehalten am 25.2.2003 in der Aula des THG zum Thema:
Wer kümmert sich um unsere Zukunft ?
- Die Gefährdung der Nachhaltigkeit und der Demokratie durch die Globalisierung der Weltwirtschaft

von Tim Gansczyk

Zu Beginn seines Vortrags bezog von Weizsäcker sich auf die letzten beiden Sätze aus seinem Buch "Erdpolitik" , die in dem Programmheft zu dieser Veranstaltung zitiert waren:

"Die Erde verdient es, dass wir sie als unsere Heimat ansehen. Die Heimat, das wissen alle Kulturen, zerstört man nicht."

Er hob hervor, dass damit schon das w ichtigste Gestaltungsprinzip für unsere Zukunft , nämlich die Nachhaltigkeit , angesprochen sei.

Unter Nachhaltigkeit versteht man die Bewahrung der Lebensgrundlagen bzw. günstiger Lebensbedingungen auch für die nachfolgenden Generationen , die z.B. durch

•  Klimaerwärmung, Überschwemmungen und Wüstenbildung,

•  Wasser-, Energie- und Ressourcenknappheit,

•  Vernichtung der Artenvielfalt, Verseuchung von Luft, Wasser, Böden und Lebensmittel,

•  und durch andere Umweltprobleme

bedroht ist.

Weizsäcker selbst hatte in seinem Buch Erdpolitik, das 1989 erschien, gefordert, dass das 21. Jahrhundert ein "Jahrhundert der Umwelt" werden müsse.

In seinem Vortrag erinnerte er an die Umweltgipfel von Rio im Jahre 1992 und von

Johannesburg im Jahre 2002, die dem Prinzip der ökologischen Nachhaltigkeit zu einem weltweiten Durchbruch zu verhelfen versuchten. Als entscheidenden Grund dafür, dass diese Versuche bislang als gescheitert angesehen werden müssen, gab er die Globalisierung der Weltwirtschaft an, die nach dem Kalten Krieg das politische und wirtschaftliche Geschehen beherrscht.

In der gegenwärtigen Form der Globalisierung, sieht er nicht nur eine Gefährdung der Nachhaltigkeit , sondern darüber hinaus auch einen Anlass zur Sorge um den Fortbestand der Demokratie, die keineswegs als selbstverständlich und unzerstörbar anzusehen sei.

Zur Begründung dieser Behauptung ging er auf die wirtschaftliche und politische Situation vor Beendigung des Ost-West Konflikts ein.

Zu dieser Zeit sei es für das Kapital sehr wichtig gewesen, dass die Länder, in die es investierte , nicht kommunistisch würden.

Die soziale Marktwirtschaft, die im Westen vorherrschte, habe verhindert, dass ein Land nach dem anderen kommunistisch wurde, indem sie " sozialer " - und damit auch für ärmere Schichten attraktiver gewesen sei als der " Sozialismus ".

Denn die soziale Marktwirtschaft habe dafür gesorgt, dass die " Starken " sich zwar frei entfalten konnten und es ihnen gut ging, die " Schwachen " aber nic ht völlig unterdrückt wurden.

Vor dem Ende des Kalten Krieges mussten die Reichen nämlich mehr Steuern zahlen, damit es den Armen besser ging. So seien z.B. die Unternehmenssteuern sehr hoch gewesen.

Nach 1990 habe sich die politische Situation grundlegend verändert,da der kommunistische "Konkurrent" im Osten " besiegt " worden sei.

Dies habe zur Folge gehabt, dass die soziale Komponente der Marktwirtschaft geschwächt worden sei. Das Kapital verfolge nämlich seitdem nur noch das Ziel , möglichst große Gewinne zu erzielen.

Dadurch sei ein "brutaler internationaler wirtschaftlicher Wettbewerb " entstanden, der durch Rationalisierungen mit zunehmender Arbeitslosigkeit , aber auch mit Firmenzusammenbrüchen verbunden sei.

Dem internationalem Kapital sei es gelungen, die Unternehmenssteuern durch Erpressung der Regierungen und der Staaten zu senken.

Ironisch zitierte von Weizsäcker die " Märchensprache ", mit der die Erpressung erfolge:

"Das Kapital ist ein scheues Reh. Wenn es verschreckt wird, zieht es sich zurück!"

Die Folgen der sinkenden Unternehmenssteuern seien leere Kassen der Kommunen, der Bundesländer und der Staaten, so dass weniger Sozialleistungen finanziert werden können. Die Schere zwischen arm und reich öffne sich immer weiter.

Mit der Beendigung des Kalten Krieges, so seine Bewertung, sei das "gute" - nämlich soziale - System der Marktwirtschaft "schlecht" geworden, denn es habe seine eigenen Tugenden, die Stärkung der Schwächeren durch die Demokratie, vergessen. Die Demokratie sei nämlich eine " Garantiemaschine" für die Schwachen gewesen, die durch Wahlen dafür gesorgt habe, dass die soziale Komponente durchgesetzt wurde, z.B. durch starke Gewerkschaften oder durch Parteien, die die Interessen der Schwachen vertraten.

Von Weizsäcker ist der Meinung, dass die heutige Politik daran keine Schuld trägt, sondern, dass dies die Früchte der Globalisierung seien.

Der Spielraum der Politik sei unter der Vorherrschaft des Kapitals minimal geworden.

Dies stelle ein gewaltiges Problem für die Demokratie dar, da dies eine Massenenttäuschung der Wähler zur Folge haben könnte.

Als Ausweg für diese gravierende und äußerst schwer zu ändernde Gefährdung

der Nachhaltigkeit und der Demokratie durch die Globalisierung

machte von Weizsäcker folgende zwei Vorschläge :

  1. Eigentlich müssten die Regeln, die in den Nationalstaaten die Marktwirtschaft "sozial" gemacht haben, internationalisiert werden, indem z.B. eine internationale Einigung auf Einkommensteuersätze verhindern könnte, dass die Reichen immer weniger Steuern zahlen und sich in " Steuerparadiese " flüchten.

Dies sieht von Weizsäcker jedoch als vollkommen unrealistisch an. Das beste, was man heutzutage erreichen könne, seien transparente Regelungen zum Klima-, Umwelt- und Arbeitsschutz und die Einrichtungen von internationalen Organisationen. Dies seien Eingriffsmöglichkeit einer " Weltinnenpolitik", auch " global Governance" genannt.

Doch da die Ebene der "global Governance " für die normale Bevölkerung völlig unerreichbar und auch über Wahlen kaum zu beeinflussen sei, bleibe die Gefahr, dass die Enttäuschung von der Demokratie und die Abneigung gegen die Politik eher noch zunehmen würden.

Für eine notwendige Weltinnenpolitik müsse neben der Politik und der Wirtschaft,

2. eine dritte Kraft, nämlich die Zivilgesellschaft, immer bedeutsamer werden. Über die Zivilgesellschaft, zu der Kirchen, Gewerkschaften oder Einrichtungen wie "Amnesty International" oder Greenpeace u.a. gehören, müsse Druck auf die Politik und die Wirtschaft ausgeübt werden.

Internationale zivilgesellschaftliche Einrichtungen hätten einen massiven Einfluss auf die Wirtschaft, da sie über internationale "Muskeln" verfügen. Als Beispiel erwähnte von Weizsäcker die Aktionen von Greenpeace , mit denen die Umweltschutzorganisation öffentlich machte, dass der Ölkonzern Shell eine Ölplattform in der Nordsee versenken wollte und den Konzern dadurch zwang, das Vorhaben abzubrechen.

Über eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, der Politik und der Zivilgesellschaft in zahlreichen Bereichen könnten die Nachhaltigkeit und die Demokratie gesichert werden.

Doch es sei klar, so von Weizsäcker, dass so eine Entwicklung Zeit brauche , die er auf ca. 40 Jahre veranschlagte.

Eigene Stellungnahme:

In den Herbstferien letzten Jahres nahm ich mit drei anderen Schülern vom THG an der Tagung der Vereinigung deutscher Wissenschaftler in Berlin zum gleichen Thema "Demokratie und Nachhaltigkeit" teil.

In seiner Begrüßungsrede diagnostizierte der Vorsitzende Prof. Hans-Peter Dürr bezüglich der Kriegsentwicklungen der letzten Jahre einen Rückfall in Zeiten, die er mit der Beendigung des Kalten Krieges als überwunden eingeschätzt hatte und bedauerte tief, dass es nun wieder leider erforderlich sei, sich intensiv mit dem Thema "Krieg und Frieden" zu beschäftigen, obwohl weitere zukunftsbedrohende Fragen, und zwar bezüglich der Nachhaltigkeit und der Verteilungsgerechtigkeit, auf Antworten drängten. Sehr freundlich wandte er sich an uns vier Schüler und forderte uns als Repräsentanten der Jugend auf, uns den Problemen zu widmen, ehe die Menschheit von ihnen erdrückt werde. Über diese Aufforderung habe ich mich sehr erschrocken. Seit dieser Tagung und seit dem Vortrag von Prof. von Weizsäcker wird mir immer klarer, dass in den nächsten 40 Jahren noch große Probleme auf uns warten werden.

Vom 31.10. - 2.11.03 nahm ich an einer Tagung in der evangelischen Akademie Tutzing zum Thema "Vision: Informationsgesellschaft" teil, bei der Prof. von Weizsäcker noch einmal ähnliche Gedanken vortrug. Bei der Tagung stellte sich heraus, dass er mit anderen Mitgliedern des Club of Rome eine Initiative zu einem

"Globalen Marshall-Plan für eine weltweite öko-soziale Marktwirtschaft"

angeregt hat, die am 11.Oktober 2003 als "Stuttgarter Erklärung" der Öffentlichkeit vorgestellt worden war und die von vielen Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft unterstützt wird.

Diese Initiative bildet einen ersten Schritt auf einem sehr langen Weg, die Regeln, die in den Nationalstaaten die Marktwirtschaft "sozial" gemacht haben, zu internationalisieren und über Einrichtungen der Zivilgesellschaft Druck auf die Politik und die Wirtschaft auszuüben.

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