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Reflexionen zum Terroranschlag am 11.9.01 – Ein Jahr danach

Aufgrund des Jahrestags des 11.9.2001 schweiften wir etwas von unserer Unterrichtsreihe ab, um die Folgen des Terroranschlags auf das WTC aufzuspüren.

Dazu betrachteten wir die Menschen in unserer Gesellschaft und deren Prioritäten, dabei stellten wir fest, dass viele Menschen für mögliche Bedrohungen sensibilisiert worden seien und der physischen Sicherheit wesentlich mehr Aufmerksamkeit spendeten. Über diesen Aspekt wendete sich unsere Diskussion der Innenpolitik von Deutschland und Amerika zu. Die Polizei in Amerika habe wesentlich mehr Befugnisse bekommen, als sie vor dem 11 September gehabt habe, z.B. könne sie jetzt Hausdurchsuchungen ohne richterliche Durchsuchungsgenehmigung vornehmen. Entsprechend dazu sei durch die Sicherheitspakete von Otto Schily und unter Inkaufnahme von Freiheitsbeschränkungen auch in Deutschland der Staatsgewalt wesentlich mehr Macht eingeräumt worden. Diese Entwicklung verknüpften wir wiederum mit den veränderten Präferenzen der Bürger, welche jetzt im Vergleich zu Bürgerrechten und Freiheit der Sicherheit einen höheren Stellenwert einräumten als vor dem 11. September.

Wir erweiterten jetzt unserer Sichtweise auf die weltpolitische Ebene und wandten uns als erstes Afghanistan zu, in dem das Taliban-Regime von der afghanischen Nordallianz und Amerika durch einen Krieg gestürzt wurde. Es wurde behauptet, dass eine sehr zerbrechliche Demokratie aufgebaut worden sei. Es wurde auf die ernormen Auswirkungen auf die amerikanische Außen – und Sicherheitspolitik hingewiesen, wobei allerdings bezweifelt wurde, dass der 11 September der Grund dafür sei. Er habe vielmehr eine schon vorher vorhandenen Entwicklung beschleunigt, so habe nach dem Ende des Kalten Krieges die westliche Welt und insbesondere Amerika ihre Politik von der absoluten Priorität einer Deeskalation bei der Gefahr eines Krieges zu einer Politik verändert, die den Krieg als durchaus nicht mehr allerletztes Mittel sehe und in der die Wahrnehmung der eigenen Interessen absoluten Vorrang vor multinationalen Lösungen habe . Dieses habe sich z.B. im zweiten Golfkrieg, im Kosovokrieg und in der daraufhin verabschiedeten Änderung der Nato-Grundregeln gezeigt. Auch direkt vor dem 11 September habe sich diese Politik weiterverfestigt, so habe Amerika z.B. internationale Vereinbarungen zum Klimaschutz boykottiert und den ABM-Vertrag demontiert. Der 11 September würde jetzt als Legitimation missbraucht um diese Politik weiter zu verfolgen.

Wir leiteten die Diskussion zu der aktuellen weltpolitischen Situation mit dem vorrangigen Thema Irak über, welchem ein Krieg von Amerika droht. Wir zeigten auf, dass die wechselnden Begründungen für den Krieg gegen den Irak nicht sehr glaubwürdig seien. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Vorwurf des Besitzes von Massenvernichtungswaffen und der Zusammenarbeit mit Al Qaeda nur vorgeschobene Begründungen seien, da nachdem die erste Begründung, der Irak unterstütze Al Qaeda, keine große Wirkung in Bezug auf die Stimmungsmache für einen dritten Golfkrieg gezeigt habe, plötzlich diese nicht mehr genannt worden und die zweite Begründung aufgetaucht sei, dass der Irak durch Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für den Weltfrieden darstelle. Der Vorwurf, Irak stelle durch seine Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für den Weltfrieden dar, sei auch deswegen unglaubwürdig, da sowohl der ehemalige amerikanische UN-Waffeninspekteur Scott Ritter als auch der designierte Leiter der UN-Waffeninspekteure Hans Blix bezweifelten, dass der Irak über größere Mengen an Massenvernichtungswaffen verfüge noch in der Lage sei, sie herzustellen. Weitere Unglaubwürdigkeit verursache die Tatsache, dass die britische Regierung sich unter Berufung auf das Londoner Institut für Strategische Studien (ISS) behaupte, dass der Irak durch Atomwaffen eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellte, wobei das ISS nur behaupte, dass der Irak nur in der Lage sei Atomwaffen zu bauen, wenn er in den Besitz von waffenfähigem radioaktiven Material käme. Dieses sei jedoch trivial, da darin ja gerade das größte Problem bei der Herstellung von Atombomben bestehe und auch die Internationale Atomenergie-Organisation keine Informationen über neue Atomprogramme des Iraks habe. Es wurde vermutet, dass nachdem nun auch diese Argument nicht zu wirklichen Stimmungsumschwung für den Krieg geführt habe, sei nun wieder der Vorwurf aufgetaucht, dass der Irak mit Al Qaeda zusammenarbeite. Dieses sei jedoch erst recht nicht glaubwürdig, denn wieso sei dann diese Begründung zwischenzeitig bei anscheinend gleicher nicht vorhandenen Beweislage nicht wieder aufgetaucht. Auch scheine die amerikanische Regierung keinen Anstoß daran zu nehmen, dass die irakische Opposition im Norden des Landes, mit der Amerika zusammenarbeitet, vermutlich Verbindungen zu Al Qaeda habe.

Des weiteren sei auffällig, dass laut Frankfurter Rundschau der Iran mittelfristig und langfristig Saudi-Arabien als neue Ziele eines Krieges seitens der USA in Frage kämen, wobei dann der Aspekt der Sicherung von Ölquellen neben den von der amerikanischen Regierung genannten auch berücksichtigt werden sollte. ( ....)

Wir kehrten geistig zu Afghanistan zurück und stellten fest, dass der Krieg kein Erfolg sei, da z.B. Bin Laden nicht gefasst worden sei und der Krieg durch den Schmerz und den Hass der Angehörigen von Kriegsopfern nur neuen Nährboden für den Terroristen hervorgebracht habe. Dieses wurde angezweifelt, da evtl. viele Menschen den Hass durch die neugewonnen Freiheit vergessen könnten. Allerdings wurde auch das wieder bezweifelt, da es großen Teilen Afghanistans durch Kriege und Gewaltherrschaften der Warlords den Menschen nicht besser ginge und sie nach wie vor durch Militäreinsätze der sogenannten Antiterror-Koalition provoziert würden.

Wir hoben hervor, dass im Afghanistan Krieg vermutlich unzählige aber mindestens 5000 Menschen getötet wurden, von denen weit über 4900 unschuldig an den Terroranschlägen auf das WTC gewesen sein dürften. Dieses verknüpften wir mit dem Thema unserer Unterrichtsreihe „Ethik“ und stellten uns die Frage, wie viele unschuldige Menschen man töten darf um einen Terroristen zu töten. Diese Frage verdeutlichte uns die Menschenfeindlichkeit und den lebensverachtenden Zynismus eines Krieges.

Zum Abschluss dieser Stunde stellten wir die kulturphilosophische Frage auf, warum die ganze westliche Welt um die Toten vom 11 September aber nicht um die ebenso unschuldigen Toten im Afghanistan-Krieg trauerte. Als Antwort fiel uns nur ein, dass Amerika der westlichen Welt näher stände bzw. der Mittelpunkt dieser sei; es aber nicht nachvollziehbar sei, warum man mehr um die amerikanischen als um die afghanischen Toten trauerte, da wir sie alle nicht persönlich kennten und man auch um alle zugleich trauern könne.

Wir fragten uns, ob ein Machtwechsel in Afghanistan sich nicht auch friedlich herbeiführen gelassen hätte wie 89 in Deutschland, kamen allerdings zu dem Schluss, dass in Afghanistan ein Großteil der Menschen wohl gegen den Machtwechsel gewesen sei und dies daher nicht möglich gewesen sei. Andererseits forderte ein Krieg viele unschuldige Tote und sei deswegen ethisch nicht vertretbar. Des weitern sei durch den Krieg AlQaeda kaum geschwächt worden, da diese vermutlich nicht über eine zentrale Kommandozentrale verfüge, sondern dezentral organisiert sei. Auch sei durch den Krieg – wie schon vorher festgestellt - der Nährboden für den Terrorismus größer geworden. Dieses alles träfe auch bei einem Krieg gegen den Irak zu.

Als Alternative zu einem Krieg hoben wir Polizei- und Geheimdienstaktionen hervor, die den Terrorismus besser bekämpfen könnten. So seien die meisten gefangengenommenen vermutlichen Terroristen auf diese Weise festgenommen worden. Als Beispiel führten wir einen kürzlich überführten vermutlichen Top-Terroristen an. Dies verknüpften wir mit einer Philosophiestunde vor ziemlich genau einem Jahr, in der wir damals schon zu dem Schluss gekommen waren, dass ein Krieg den Terrorismus nicht bekämpfen könne, Geheimdienste dies aber könnten.

Wir bezweifelten allerdings, dass Geheimdienste den Terrorismus wirklich besiegen könnten, da dies nur mit einer Bekämpfung der Ursachen vom Terrorismus ginge. Diese Ursachen seien Armut, Hunger, weltweite Ungerechtigkeiten und eine ausschließlich auf die eigene Interessenwahrnehmung gerichtete Politik des Westen. Die Beseitigung dieser habe auch aus ethischen Gründen absoluten Vorrang.

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