News
Hintergrund
Begründer
Strategie
Literatur
Diskussionforum

Links
Impressum
Downloads

Essay zu: Moralische Regelsysteme zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturen

Im Zuge der Globalisierung wird von den Menschen verlangt, dass sie sich mit immer mehr und unterschiedlicheren Kulturen auseinandersetzen. Je weiter man in der Geschichte zurück geht, desto kleiner werden Kulturkreise. Durch Industrialisierung und Technisierung wuchs der Begriff der Kultur vom Stamm über Fürstentum zum Staat; und damit wuchsen die intrakulturellen Probleme mit denen die Menschen fertig werden mussten. Heute spricht man vom europäischen, asiatischen oder afrikanischen Kulturkreis. Doch durch die Vergrößerung der Kulturkreise vergrößern sich auch die intrakulturellen Unterschiede. Und wir sind sogar einen Schritt weiter: Das Globalisierungszeitalter eröffnet die Möglichkeit, Verantwortung und Belastung weltweit präsent zu sein und Gedankenaustausch zu betreiben. Eine Möglichkeit deshalb, weil die vielen verschiedenen Sittenkodizes dieser Welt einen Reichtum an Entwicklunsmöglichkeiten für die eigene Persönlichkeit bieten. Eine Verantwortung, weil durch die Ausweitung der Kulturkreise die intrakulturellen Probleme sich in ihrer Wirkung ebenfalls steigern und immer schwieriger lösbar erscheinen. Eine Belastung, weil die Menschen sich in einer Flut von Informationen aus allen Richtungen und Bereichen verlieren und den Überblick verlieren, über den Bekannten- und Freundeskreis, über das erreichbare Wissen der Kulturen, über die Position der eigenen Persönlichkeit in der weite des Horizonts und uns ein Gefühl von Sicherheit durch die ständige Veränderung fehlt. Wir haben beinahe etwas wie einen weltweiten Kulturkreis, doch durch die Zerklüftung in der Landschaft der Kulturen sind die Unterschiede dafür teilweise zu groß.

Und Russell beschreibt in ,,Andere Länder und Zeiten - andere Sitten" die Schwierigkeit, kritisch gegenüber Traditionen der eigenen Kultur zu sein. Man versucht sie vor anderen kulturellen Einflüssen zu schützen, damit sie einem einen kulturellen Rückhalt in der hektischen Welt bieten kann. Häufig wird dies durch den Absolutheitsanspruch des eigenen Sittenkodizes unterstützt, so durch die drei abrahamitischen Offenbarungsreligionen, oder auch durch politische Systeme, wie Nationalsozialismus oder Kommunismus. Das Misstrauen gegenüber fremden Einflüssen ist sehr tief in vielen Kulturen verwurzelt, so beispielsweise auch bei den Papuas. Das Weltbild der Papuas schließt Geister, Ahnen, Zauber und Häuptlinge als Führer der Sippe bzw. der einzelnen Individuen als Teil der Sippe mit ein. Die Frauen sind in diesem Weltbild der Besitz des Mannes Alle Fremden Personen, die nicht Teil der Sippe bzw. Kultur sind, gelten als Feinde. Die Angst vor den übernatürlichen Wesen und allen Fremden ist der geförderte psychische Zustand der zehn Gebote der Papuas. Doch auch uns aus dem westlichen Kulturkreis, der sich als aufgeklärt bezeichnet, fällt es schwer, die Sitten eines solchen Naturvolkes zu verstehen und vor allem zu akzeptieren und zu tolerieren, ob das der Brauch ist, Nasenschleim ans Bein zu schmieren oder die Stellung der Frau. Und wir haben wesentlich mehr Kenntnis über andere Kulturen als die Papuas.

Der Absolutheitsanspruch einiger Sittenkodizes, den Offenbarungsreligionen, wird mit dem übernatürlichen Ursprung begründet. Dieser Anspruch wird aber beispielsweise auch vom sozialistischen und nationalsozialistischen Kodex gestellt.

Mit dem Absolutheitsanspruch wird dann die Notwendigkeit der Verbreitung des eigenen Sittenkodex begründet.

Die zehn Gebote sozialistischer Moral machen die Arbeiterklasse zu etwas besonderem. Sie schaffen eine weltweite Verbundenheit aller Arbeiter.. Sie schließen aber auch alle anderen aus. Außerdem wird das Individuum und seine Persönlichkeit in ihrer eigenen Entwicklung nur wenig gefördert Man verlangt vielmehr, dass die Menschen, welche im Sozialismus leben, dem Staat untertänig sind, und nur für die Gemeinschaft sich aufopfern, damit das Gemeinwohl erreicht wird (...)

Das Gegenteil dazu stellt der ethische Egoismus dar, der von Max Stirner verfochten wurde. Danach steht das Individuum im Vordergrund. Es handelt nur nach dem eigenen Interesse und nimmt keine Rücksicht auf andere. Vielmehr nutzt es die anderen aus, um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse das persönliche Wohl zu erreichen.

Anders als Max Stirner, aber auch nicht humanistisch, ist Horstmanrn In seiner nihilistischen Einstellung verlangt er in seinem Buch ,,Das Untier“ die Zerstörung der Erde, wie er es nennt, die Befreiung der Erde vom Leben und die Schaffung einer ästhetischen Wüste wie der des Mondes. Dies sieht er als das Ziel allen menschlichen Handelns.

Der Nationalsozialismus Hitlers und seiner Gefolgsleute verlangt dagegen, dass die Erde den Menschen als Lebensraum gegeben und erhalten werde. Menschen sind aber nur die Deutschen, alle anderen Lebewesen sind höchstens Menschentiere, die zur Arbeitserleichterung und Produktivitätssteigerung der Menschen dient Deshalb müssen alle Deutschen treu gegen Kameraden, d.h. andere Deutsche, sein und sich an Werte wie Disziplin und Ordnung halten und Mut und kärnpfertschen Willen zeigen.

Diese Sittenkodizes spielen gegen die Idee des Interkulturellen Humanismus Sie schließen andere Kulturen beziehungsweise im Fall Stirners alle anderen Menschen und bei Horstmann sogar alle Lebewesen aus. Die verschiedenen Kodizes sind nur der eigenen Kultur zum Vorteil. Doch es gibt auch in einigen Kodizes Teile, die dem Interkulturellen Humanismus beistehen So gibt es in Religionen die Gebote menschlichen Handelns, wie zum Beispiel die zehn Gebote des Judentums, oder die Feindesliebe des Christentums Solche Gebote menschlichen Handelns lassen sich in allen Kulturkreisen finden. In einigen Kulturen, also in Teilen eines Kulturkreises, wie den Papuastämmen sind diese Gebote nur intrakulturell gültig Aber die Gebote der Nächstenliebe lassen sich wie im Christentum durch Jesus auf die Feindesliebe ausdehnen Die Schwierigkeit besteht, dass die Gebote der Feindesliebe dann nicht eingehalten werden. Und als Feinde gelten gewöhnlich die Menschen anderer Kulturen Deshalb ist es notwendig , die Menschen zu überzeugen , dass zwischen den Kulturen die Unterschiede nicht unüberwindbar sind, und die Kulturen auch nicht angeglichen werden müssen 7 um den Kampf der Kulturen zu beenden Deshalb wurde das Projekt Weltethos gestartet, um die Kulturen davon zu überzeugen, dass es das Gebot der Liebe nicht nur für den Nächsten 7 sondern auch für den Fernsten, das heißt den Feind gilt. Die Stiftung Weltethos erhält von vielen Seiten Unterstützung Und erste Erfolge sind hier schon zu verzeichnen Der Kongress der Weltreligionen hat sich auf ein gemeinsames Papier geeinigt, dass die Gebote menschlichen Handelns („ Du sollst nicht töten" usw.) umfasst. Aber auch andere Organisationen arbeiten für ein menschlicheres Zusammenleben. So zum Beispiel die »Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie."

Der Präsident der Gesellschaft Prof. Ram Adhar Mall spricht bei der Problematik der kulturellen Streitigkeiten vom Problem des Verstehens. Er nennt es „Verstehen und Verstanden werden wollen“. Dazu muss man nicht nur die Bereitschaft aufbringen, die anderen Kulturen zu verstehen, sondern auch die Bereitschaft, sich selbst anderen zu erklären und kulturelle Eigenarten selber kritisch hinterfragen. Denn wenn man selbst die eigene Kultur nicht wirklich versteht wie sollen dies dann Menschen aus anderen Kulturen tun, und wie soll man auf eigene Besonderheiten hinweisen und diese erklären. Es bedarf auf beiden Seiten der Toleranz und des Respekts vor den kulturellen Eigenheiten anderer und gleichzeitig der selbstkritischen Hinterfragung der eigenen Kultur Doch wie Russell in seinem Text Andere Länder und Zeiten andere Sitten" sagt, ,,unser eigener Sittenkodex ist ja über jede Kritik erhaben". Deshalb ist jeder aufgerufen, anderen das Verständnis über sich selbst und die eigene Kultur zu erleichtern und die anderen und ihre Kulturen zu verstehen und zu tolerieren. Denn nur gemeinsam können wir die Probleme der Welt lösen. Ob es Armut, Krankheit, Hunger oder die Ausbeutung der Ressourcen der Erde sind, es sind keine regionalen Probleme, sondern weltweite. Es bedarf also- einer gerechteren Verteilung des Reichtums der Erde, da bisher die sogenannten Industriestaaten oder auch Erste Welt-Länder im Überfluss die Ressourcen vernichten, während in anderen Teilen die Menschen nichts besitzen. Doch die Erste Welt-Länder werden einsehen müssen, dass sie die Probleme in der Welt mit den anderen zusammen lösen müssen, da Weltbevölkerung und damit der Bedarf steigen und die lebenswichtige Rohstoffe, das heißt Luft, Wasser, Erde zur Neige gehen. Irgendwann wird dies einen Kollaps zur Folge haben werden. Doch bisher sind wir von unserer Bequemlichkeit zu benebelt, um das Bewußtsein für den Rand der Klippe vor uns zu schärfen.. Unser Bedürfnis nach Überleben und Erhaltung der eigenen Art sind vielleicht zu lange nicht nötig gewesen.

Home


eintragen