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Erdpolitik, Weltethos und Interkultureller Humanismus ( 12.2)

„Am Beginn des Halbjahres steht - mit beträchtlichem Gewicht für den weiteren Verlauf des Unterrichts - die Weltethosidee. Diese besagt inhaltlich, daß alle Religionen dieser Erde gemeinsame ethische und moralische Grundlagen haben und weitere Gemeinsamkeiten suchen sollten, um einen interreligiösen und somit interkulturellen Dialog zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen. Die Erkenntnis, daß es solche Gemeinsamkeiten gibt, ist nun nicht gerade neu. Die Weltethoserklärung stellt nun aber insofern einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Interreligiösität dar, als sich Vertreter der Religionen nun öffentlich zu diesen bekennen. Natürlich handelt es sich dabei lediglich um einen ersten Schritt, denn im Dialog sollten die Religionen und Kulturen weitere Gemeinsamkeiten finden. Doch dieser Weg erfordert sehr viel Idealismus und Ausdauer, und letztendlich einen relativen Religionsfrieden zu stiften, ist wahrhaftig ein Ziel, auf das man lange hinarbeiten muß, ähnlich wie auf die Durchsetzung der Menschenrechte. Es gibt natürlich auch Stimmen, wie zum Beispiel Huntington, die eine solche Idee zwar für wünschenswert, aber leider nicht durchsetzbar halten. Außerdem gibt es auf der Erde noch sehr viele andere Probleme, von denen die Umweltproblematik nach der Meinung Ernst-Ulrich von Weizsäckers unser Denken und Handeln dominieren wird oder aber dominieren muß. Um zu einem Handlungsumschwung in unserem Umgang mit der Natur zu kommen, muß sich zunächst unser Bewußtsein dahingehend ändern, daß wir der Erhaltung der Natur mehr Bedeutung zumessen und daß wir uns von unserem heutigen Konsumdenken und -verhalten verabschieden. An dieser Stelle eröffneten sich für uns weitere Anknüpfungspunkte: Zum einen liefert uns Vittorio Hösle in seinem Buch „Philosophie der ökologischen Krise“ die Grundlage eines philosophischen Hintergrundes, der die Bewußtseinsänderung unterstützt. Zum anderen tauchte die Frage auf, inwieweit die Politik wirklich entsprechend den Erfordernissen der Natur entspricht. Es scheint selbstverständlich, daß man diese Frage wenigstens langfristig nur auf der globalen Ebene zu lösen vermag. Damit wirklich alle Länder in dieser, das Fortbestehen der Menschheit betreffenden Frage, an einem Strang ziehen ist aber eine weitgehend friedliche weltpolitische Lage erforderlich. Diesem Erfordernis stellt Huntington eine entgegengesetzte Theorie gegenüber, die allerdings keinerlei Überlegungen Weizsäckers auch nur am Rande beachtet. Es stellt die Theorie auf, daß nach dem Ende des kalten Krieges nun nicht die Zugehörigkeit zu einem Block oder Bündnis, sondern die religiöse und kulturelle Zugehörigkeit die machtpolitische Situation auf der Erde bestimmen werden. Dabei grenzt Huntington sieben Kulturkreise, nämlich den orthodoxen, den islamischen, den sinischen, den südamerikanischen, den japanischen, den hinduistischen und den westlichen gegeneinander ab und stellt die These auf, daß die großen Kriege des 21. Jahrhunderts, falls sie denn stattfinden sollten, aus den interkulturellen Konflikten erwachsen werden. Auf den letzten Seiten seines Buches jedoch beschreibt Huntington seine Idealvorstellung der Zukunft. Diese hat mit der Idee des Weltethos doch einige Ähnlichkeiten, denn Huntington spricht sich für eine interkulturelle Weltordnung aus, in der nicht der Kampf zwischen den Kulturen, sondern der Kampf der Kulturen oder besser der Zivilisiertheit gegen die Barbarei im Mittelpunkt steht. Dennoch ist sicherlich die Kritik, die Küng in seinem Buch „Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft“ formuliert, daß Huntington neue Feindbilder aufbaut, nachdem die alten gerade überwunden sind, nicht ganz unberechtigt. Auf der anderen Seite stellt Küng nun - mit Befriedigung - fest, daß endlich einmal ein Politikwissenschaftler auf die Bedeutung der Religionen hinweist. Ich denke Huntington hat aber nicht ganz unrecht, wenn er zum Beispiel auf islamistische Tendenzen hinweist, die den Weltfrieden ernsthaft gefährden und die ganz ohne Frage auch vorhanden sind. Dies wird aber von ihm nicht als Anstoß genommen eine Wiederaufrüstung des Westens zu fordern, sondern ist auch eine Kritik am Verhalten der westlichen Politiker, die mit ihrem für andere Kulturen eventuell arroganten Auftreten unter Umständen Konflikte provozieren könnten. Der interkulturelle Dialog erfordert zunächst einmal Akzeptanz des jeweils anderen, ist diese Grundvoraussetzung nicht gegeben, so können sich durchaus schwerwiegende Konflikte ergeben. Eine Möglichkeit, eine solche Akzeptanz zu erreichen, liefert uns R. A. Mall in seinem Buch „Die drei Geburtsorte der Philosophie“ mit Jaspers' Vorstellung vom philosophischen Glauben. Diesen grenzt er gegen den religiösen Glauben, der auf Dogmen beruht, und den Wissenschaftsglauben, der zum Wissenschaftsaberglauben führt, ab. Glauben im allgemeinen definiert er als Versuch, sich dem Umgreifenden zu nähern, der philosophische Glaube verbindet damit nun die Einsicht, daß das Umgreifende niemals ganz erfaßt werden kann und daß es keinen festgelegten Weg gibt, dieses Ziel zu erreichen. Damit ermöglicht er es erst, mit anderen Glaubensvorstellungen zu kommunizieren, da er auf Toleranz und einer kritischen Haltung sowohl der eigenen als auch der jeweils anderen Traditionen gegenüber beruht. ( .....)

Der aktuelle Bezug aller Themen, die wir behandelt haben, hat mir persönlich sehr viel Freude bereitet und mich dazu veranlaßt, mich auch selbst noch weiter mit diesen Themen zu beschäftigen. Natürlich war mir immer schon bewußt, daß die Menschheit Gefahr läuft, die Umwelt aus dem Gleichgewicht zu bringen, jedoch habe ich dieses Bewußtsein in den letzten Jahren selten auch auf mein Handeln bezogen. Im Moment bin ich für solche Probleme extrem sensibilisiert, ich bemerke viele Dinge, die mir früher nicht so sehr aufgefallen sind: beispielsweise gibt es in ganz Hagen kaum einen Ort, an dem man nicht den Lärm irgendeiner Autobahn hört, mir ist unnötige Energieverschwendung ein Dorn im Auge und ich kann mich wirklich nichts als aufregen über Mitschüler, die nichts besseres im Kopf haben, als sich möglichst bald ein eigenes Auto mit möglichst viel PS anzuschaffen. Da ich mich auch mit vielen praktischen Problemen der Erdpolitik beschäftigt habe, wie sie zum Beispiel in Zukunftsfähiges Deutschland oder Faktor Vier beschrieben werden, habe ich auch nicht den Bezug des Themas auf unsere täglichen Probleme vermißt, sondern die Anregungen Weizsäckers und anderer als sehr wertvoll empfunden. (.......)

Nach der Lektüre von Huntingtons „Kampf der Kulturen“ betrachte ich auch die Weltpolitik mit anderen Augen, wobei sich dies teilweise in einem größeren Verständnis für die Forderungen anderer Kulturen ausdrückt, zum anderen Teil aber auch tendenziell dazu geführt hat, der aggressiven Haltung insbesondere mancher islamischer Staaten mehr Bedeutung zuzumessen, als ich es vorher getan habe. Insgeheim stelle ich mir bei manchen außenpolitischen Entscheidungen jetzt immer öfter die Frage, wie diese aus der Sicht eines anderen kulturellen Hintergrundes gesehen werden. Besonders hat mich die Zukunftsvision Huntingtons von der großen Bedeutung des Dialogs zwischen den Kulturen überzeugt, da er mir vor Augen geführt hat, wozu es führen kann, wenn dieser scheitert. In diesem Sinne hoffe ich auch, daß die gemeinsame Bedrohung aller Kulturen durch die - vorwiegend durch den Westen verursachte - Umweltzerstörung, zu einem gemeinsamen Handeln aller führen wird. Vor allem nach wirklich tiefgreifenden Diskussionen bin ich mehr und mehr optimistisch, daß es gelingen wird, einen Weltfrieden zwischen den Menschen untereinander und mit der Natur zu etablieren, auch wenn sich immer wieder neue Hindernisse in den Weg stellen. Optimistisch stimmt mich außerdem vor allem die Tatsache, daß viele Menschen aus vielen Kulturen im Umgang miteinander viel weniger Probleme haben, als mit den Mitmenschen ihres eigenen Kulturkreises, zeigt dies doch, daß auch viele Probleme unnötig aufgebauscht werden, die mit etwas Toleranz leicht gelöst werden können. Deshalb ging für mich auch von vielen Philosophiestunden und insbesondere von unseren Treffen mit Herrn Hösle, Herrn Mall und Frau Albano-Müller sehr viel Lebensfreude aus, da sie einem im besten Licht vor Augen führen, wieviel Spaß es machen kann, Probleme zu diskutieren. Wenn das nun schon Spaß macht, sollte einen doch nichts davon abhalten, diese Probleme auch zu lösen.“

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