Schwelm. (tf) Nachdem in der letzten Woche der Hip-Hopper Thomas D. die Schwelmer Jugendlichen auf den Philosophiegeschmack gebracht hatten, durften am Samstag wieder die „Profis" ran. Die philosophischen Gastmahle im Haus von Saraswati Albano-Müller sind für viele der 62 Gäste schon zur festen Institution geworden. Dabei standen nicht nur wieder viele lange und lebhafte Diskussionen an. Initiator (Claudius Gansczyk konnte auch ein kleines Jubiläum feiern: Fünf Jahre schon existiert die kleine Tradition.
„Das Gastmahl wäre auch ein schönes Geburtstagsgeschenk für mein Vater, der heute 106 Jahre geworden wäre", erzählt Saraswati Albano-Müller. Als Schüler Ghandis setzte er sich für das friedliche Miteinander der Kulturen ein -das möchte auch Saraswati Al-bano-Müller. Unter ihrem Dach treffen Lernende und Lehrende, alte und junge, Christen, Buddhisten, Hindus und Moslems aufeinander. Für sie nimmt die Inderin ihre Gastgeberpflichten ernst.
Schon seit fünf Uhr morgens steht sie in der Küche, um mit indischen Reis- und Nudelgerichten neben dem geistigen auch den gewöhnlichen Hunger der Gäste zu stillen.
Als Ehrengäste konnte Klau-dius Ganscyzk Prof. Ulrich Bartosch und Prof. Rarn Adhar Mall, der schon am ersten Gastmahl teilnahm, begrüßen. „Brücken in die Zukunft" das ist das Motto des Gastmahls und zugleich Titel eines Buches, das auf die weltweite
Gastgeberin Saraswati Albano-Müller hatte auch wieder einmal Leckeres gekocht. {WR-Bild: Joachim Schöler)
Initiative des UNO-Generals-ekretärs Kofi Annan entstand. Das Buch ist ein „Manifest zum Dialog der Kulturen", ver-fasst von 19 Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, über das Joschka Fischer schreibt, dass er sich eine möglichst große Verbreitung an Schulen und Universitäten wünsche. Nach dem „Weltethos", bei dem die Jugendlichen diskutierten, was die moralischen Grundlagen eines weltweiten Zusammenlebens sein könnten, widmeten sie sich den Themenkomplexen „Weltinnenpolitik" und „Begegnungen der Religionen im 21. Jahrhundert".
Keine Alternative zu gesichertem Frieden
„Weltinnenpolitik ist notwendig", erklärt Prof. Ulrich Bartosch ganz lapidar. Für ihn gibt es keine Alternative zum politisch gesicherten Weltfrieden. Der Begriff „Weltinnenpolitik" wurde zum ersten Mal 1963 von Richard von Weizsä-ckcr verwendet. Zur Zeit des kalten Krieges erkannte er schon die Gefahren eines Freund-Feind-Denkcns, das später zum gegenseitigen Wettrüsten führte. Weltinnenpolitik - das bedeutet, dass weltweite Probleme wie Terrorismus oder Umweltzerstörung nicht durch einzelne Länder gelöst werden können, sondern sich die Staaten zusammenschließen, um diese gemeinsam zu bekämpfen.
Dieses neue Denken, das schon Michail Gorbatschow forderte, ist in Zeiten der Glo-
balisierung aktuell wie nie zuvor. Vor wenigen Tagen forderte zum Beispiel auch Bundeskanzler Schröder, auf dem Weltwirtschaftsgipfel in New York „globale Gerechtigkeit" und eine gemeinsame Weltinnenpolitik.
Wie der. vielbeschworene Dialog der Kulturen aussehen könnte, beschrieb Professor Ram Adhar Mall: „Toleranz, das heißt, dass ich von der Wahrheit meiner eigenen Meinung überzeugt bin, andere Meinungen aber nicht ausschließe". Das gelte auch, ja vielleicht sogar besonders für die Religion. Eine Religion, die für sich die alleinige Wahrheit beansprucht könne viel Unheil anrichten, das zeige die Geschichte von Kreuzzug bis Djihad.
Toleranz, das heiße auch den Anderen anzunehmen, ohne ihn verändern zu wollen. Statt der einheitlichen „Leitkultur" stehe die Differenzierung.
„Eine Kultur wie die europäische, die selbst ein Gemisch aus christlichen, griechischen und germanischen Einflüssen ist, sollte sich nicht anmaßen, andere Kulturen besser zu verstehen als diese selbst", meint Professor Mall.
Den Schülern und Studenten machte das Denken eine Menge Spaß. In kleinen Gruppen wurde nach den Vorträgen weiter philosophiert und diskutiert, „ich habe angefangen, für viele Probleme ein Bewusstsein zu entwickeln", fasst Markus Weber, seine Erfahrungen zusammen. Machmet, Student aus Köln, drückt es etwas simpler aus: „Einfach geil".
(Quelle: Schwelmer Rundschau 05.02.2002)
Home
|